Berlin Report Teil 2

Inzwischen ist es November. So was von November. Novemberischer geht es nicht mehr. Sobald es kalt und grau ist und man in der Stadt wohnt, in einer Stadt im nördlichen Mitteleuropa, einer dunklen Stadt, einer Stadt mit einer dunklen Vergangenheit, einer Stadt mit einer Novembervergangenheit, einer Stadt wie Berlin, dann ist es für „ausgelieferte an irgendwas Gemüter“, wie ich eines bin, echt schwer maimäßig draufzusein. Wie wir ja alle wissen, ist es sowieso schon eine sehr unangenehme Zeit in der Geschichte des neuen, verwöhnten Menschen, der langsam und schleichend des Menschseins beraubt, immer roboterhaftere Züge annimmt. Offensichtlich ist der heutige Mensch ferngesteuert, so ferngesteuert, daß wir uns selber fernsteuern, siehe Menschen mit geneigtem Kopf und trainierten Daumen. Mein Hirn ist wie ein kaputter Computer, mein Herz ist das Virus, daß das Programm befallen hat. Aber mein Herz hat auch einen Virus, der vom Hirn kommt. Aussichtslose Lage an einem grauen Tag im November in Berlin. Wir schreiben den 16.11.2021 Winterzeit, die G-Regeln beherrschen die Menschheit, und das G in den G-Regeln könnte glatt für Godzilla stehen, einem bösen Dinosaurier, der Lebewesenrechtler und Roboterrechtler gegeneinander antreten läßt in einem Kampf in der Nebelzeit der aufgeschriebenen Geschichte. Die Machthabenden, betrunken von iher Machtgier, werden immer wilder und betrunkener, ihre Entscheidungen immer wirrer, die Ferngesteuerten immer ferngesteuerter. Auch ich bin ein Ferngesteuerter, allerdings weiß ich nicht von wem, denn alles auf dieser Erde erscheint mir fremd und komisch, und wenn ich versuche zu meiner Seele Kontakt aufzunehmen, dann stehe ich an einem Fenster und blicke in die unendlichste Schwärze aller Schwärzen. Dann ist es Zeit sich zu entspannen. Ich habe mir deswegen einen Glühwein gemacht, damit ich mich entspannen kann. Ich muß gestehen, es hat geholfen und mir wurde nach Schreiben zumute, daß was ich immer dann tue, wenn ich mal wieder in die unendliche Schwärze geschaut habe. Der Tag hatte eigentlich gut angefangen. Ich hatte richtig gut und lange geschlafen und war ohne ein Dröhnen im Kopf aufgewacht.Gestern hatte ich den ganzen Tag ein Dröhnen im Kopf und es ist möglich, daß das von einer You Tube Schlafhypnose kam, die ich nachts davor angehört habe. Das Problem war, daß ich sie nicht wirklich nachts gehört habe, sondern eher morgens um halb sechs, als ich ohne Grund aufgewacht bin, und nicht mehr einschlafen konnte. Also aufgewacht bin ich schon um vier, meine Katze hat es gemerkt und dann hat sie an meinem Bett gekratzt, weil sie dachte: Miau, es gibt wieder Essen! Dann habe ich ihr ein Minihäppchen gegeben, und mit ihr gespielt, daraufhin habe ich mir diese Hypnose angehört und an einem bestimmten Punkt habe ich gemerkt wie das Dröhnen angefangen hat. Dann bin ich eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte war das Dröhnen immer noch da und hat mich dann den ganzen Tag begleitet und noch dazu kam eine grauenhafte Müdigkeit, die mich dazu bewog zum Arzt zu gehen. Ich bin tatsächlich ganz schön energielos und unkonzentriert, schon längere Zeit, Monate, Jahre, Jahrhunderte, da dachte ich so ein Arzt kann mir helfen. Mein Arzt verschrieb mir Vitamin D und Johanniskraut, das ich gleich zu Hause nahm, und daraufhin wundervoll schlief. Das war mein Tag gestern, heute war ich gar nicht müde, ich machte eine Stunde Yoga, designte Visitenkarten und überwand mich das Haus zu verlassen um einen Copyshop zu besuchen, wo ich einige Sachen ausdrucken wollte, nicht die Visitenkarten, die hatte ich im Internet bestellt, jedenfalls mußte ich mich anstellen und als mir dann ein Kopierer zugeordnet wurde, stand der an einer beengten Ecke und es gab fast keinen Platz um die Maus zu bewegen, ich wurde angerempelt und ich stellte fest, daß die Dateien, die ich ausdrucken wollte gar nicht auf meinem USB waren.Glücklicherweise hatte ich aber ein Datenkabel dabei, daß ich mit meinem Handy verband,auf dem die Daten, die ich brauchte auch drauf waren, was mir aber nichts nutzte, weil der Computer sich weigerte mein Handy zu akzeptieren. Ich war inzwischen nassgeschwitzt und ultragenervt, also verließ ich unverrichteter Dinge diesen grauenhaft überfüllten Copyshop. Ich dachte eigentlich, daß ich einen guten Tag hatte, aber jetzt war er beschmutzt von der Außenwelt. Alles war so laut und häßlich da draussen. Alles war so verstärkt, so als hätte ich Drogen genommen, was ich aber nicht tat, außer meiner Einsamkeitssucht habe ich kein weiteres Suchtproblem.Allerdings ist diese Sucht schon für sich allein schlimm genug. Es ist bei mir schon so weit, daß ich Angst habe mit anderen Menschen Kontakt aufzunehemen, weil ich befürchte es könnte zu anstrengend sein und ich habe auch ständig Angst, daß ich mich danebenbenehme. Verlorenheit war mein ganzes Leben mein ständiger Begleiter, ich wünsche mir es gebe die annonymen Verlorenen, die AV, da hätte ich dann mein Coming Out vor anderen AVlern, was zwar keine große Herausvorderung wäre, aber wenigstens hätte ich ein Zugehörigkeitsgefühl. Vielleicht würde ich aufblühen wie die Rose aus Jericho.

Es gibt auch diese seelischen Novembertage im Sommer. An einem solcher Tage machte ich einen Ausflug in das schöne Brandenburger Land. Was ich da erlebte, steht in den folgenden Zeilen, welch ich schon vor fünf Monaten aufgeschrieben hatte, immer wieder was dazugeschrieben habe, wieder was geändert habe und jetzt mit dieser dunkelnebligen Einleitung beende. Nicht das ich es muß, aber irgendwas zu Ende zu bringen, gibt mir den Anschein des Gefühls da zu sein.

Ein heißer Tag im Juni. Ich wache auf und stelle fest, daß ich diesen Tag nicht in Berlin verbringen möchte. Es gibt keinen Ort in dieser Stadt, der mir attraktiv escheint. Ich fühle mich eher so, als würde ich am liebsten einen Riesenhammer in der Hand haben und alles kurz und klein schlagen, die Hitze, den Autolärm, den Dreck, die blöden Hipsters, die blöden nicht Hipsters, einfach alles Blöde. Zum See fahren in Berlin ist sinnlos.Alles überfüllt, Spaßfaktor minimal, Nervfaktor maximal. Ich gerate in Panik. Wo soll ich nur hin?  Wie kann ich aus dem Dunstkreis des Bösen treten und endlich aus der Stadt rauskommen, die mich immer so angekettet fühlen läßt. Ich schaue in mein verdammtes Smartphone, daß ich auch mit dem Hammer zerhauen möchte. Immer wenn ich es in die Hand nehme, springt in mir ein nervender Motor an, dessen Geräusch mir die Konzentration raubt und mir das Gefühl gibt als würde ein kleines Motorboot durch meine Adern fahren. Immer im Kreis. Trotzdem nehme ich es wieder in die Hand um zu schauen, wohin ich fahren kann.  Auf jedenfall ans Wasser, außerhalb von Berlin. Ich entdecke einen Ort, der gleich drei Seen hat. Fürstenberg an der Havel. Sieht schön aus. Entscheidung gefällt. Ich mache mich fertig und fahre zum Hauptbahnhof. Dort kaufe ich mir eine Fahrkarte und muß noch 45 minuten auf den Zug warten. Ich kann es kaum erwarten endlich im Zug zu sitzen.

Bis dahin gehe ich raus, hinter dem Hauptbahnhof und setze mich auf eine Bank. Ich beobachte die Menschen, das was man halt so macht wenn man wartet. Um die Zeit totzuschlagen rauche ich eine. Dann kommt ein vergammelter Typ auf mich zu und fragt mich nach einer Zigarette. Da ich ja rauche, kann ich schlecht sagen, ich habe keine, deswegen gebe ich ihm eine Zigarette. Er bedankt sich mit einem freundlichen Lächeln. Dann beobachte ich eine etwa 60jährige rundliche Frau mit einer großen Kamera, die ganz enthusiastisch Fotos macht. Enthusiasmus ist etwas was ich auch brauche. Irgendwie habe ich das verloren, ich hoffe ich finde es wieder. Früher habe ich so gerne alles mögliche produziert und war dann sehr stolz auf mich, aber momentan leide ich unter innerer Unruhe , die mich lethargisch macht. Ich wünsche mir weiße Frische, einen nach Leichtigkeit duftenden Neuanfang auf allen Ebenen. Wie ein Schmetterling will ich mein altes Ich zerschmettern und davonfliegen. Fluchtgedanken. Nicht gut. Ich sollte mal lernen mich zu entspannen.Aber es gibt halt einfach auch Tage wo man nicht so entspannt ist. Einfach locker bleiben. Der Sinn kommt schon noch von alleine in mein Leben zurück. Genieße den Tag.

15 Minuten bis zur Abfahrt. Ich kaufe mir noch schnell ein riesiges Handtuch, weil es so schöne Farben hat. Obwohl ich schon eines dabei habe. Jetzt habe ich zwei in meiner Tasche. Endlich sitze ich im Zug. Ich versuche zur Ruhe zu kommen, runterzufahren, zu entspannen. Ich schaue aus dem Fenster. Geräusche von jugendlichen Stimmen. Sie reden laut und in einer nervenden Melodie. Da ich sehr geräuschempfindlich bin, überlege ich mir mich wegzusetzen. Aber dann denke ich mir, daß ich sie stattdessen belausche, vielleicht tue ich ihnen ja Unrecht, wenn ich sie als schreckliche rücksichtslose Zombieteenager abstempel.Ich bin ja soo nett, ich muß meine Image vor mir selber aufrechterhalten. Es sind drei Jungs. Zwei mit einer tiefen Stimme, einer mit einer hohen Stimme. Sie spielen offensichtlich ein saudummes Smartphonespiel und kommentieren das die ganze Zeit. Am meisten redet der mit der hohen Stimme, der höchstwahrscheinlich der jüngste ist. 80 Punkte, Dicker, bin echt krass im Flow, Dicker, oh nee, nein, oh Mann, fast geschafft. Ahh krass! 100 ey Dicker. Jeder Satz den er sagt, enthält mindestens ein Dicker und ein ständiges auf und ab der Stimme, unterbrochen von glucksendem Teenagerlachen. Die beiden  Älteren spielen auch und sie sagen mindestens zweimal Alter in jedem Satz. Sie haben alle extrem gute Laune und sind voll enthusiastisch.

Links neben mir in der anderen Sitzreihe sitzt eine ältere, unauffällige Dame, die in ein kleines Skizzenbuch zeichnet. Sie radiert allerdings mehr, als das sie zeichnet. Ich erhasche einen Blick und es sieht fast so aus wie das Haus vom Nikolaus. Wahrscheinlich plant sie eine Ausstellung in einer schicken Galerie mit riesigen Leinwänden voll mit Nikolaushäusern und schreibt irgendeinen Scheiß dazu. Ich sehe schon die Besucher andachtsvoll vor den Bildern stehen, die grau im grau gehalten sind und hochtrabene Titel haben, wie z.B.: „Erlangen von gestern“  oder irgendwas mit Weiblichkeit, auch sehr populär bei Künstlerinnen. Die Comicsprache der Teenager scheint ihren Radierflow zu stören, sie packt ihre Sachen zusammen und setzt sich woandershin.

Angekommen in Fürstenberg. Kleiner Bahnhof. Ruhig und idyllisch. Ich beschließe mich nicht durch meine Unentschlossenheit aus dem Konzept bringen zu lassen. Ich habe ja Zeit und es ist egal in welche Richtung ich zuerst gehe. Ich laufe erst mal Richtung Innenstadt, wobei Stadt schon fast eine Übertreibung ist. Es ist kaum ein Mensch auf der Straße und auch kein Auto in Sicht. Es ist wie ausgestorben. Die paar Leute die ausgestiegen sind, warten entweder an einer Bushaltestelle oder haben ihre Fahrräder dabei. Es ist brütend heiß, aber eine  viel trockenere Hitze und angenehmer als in Berlin. Ich laufe die leere Straße runter und bin zufrieden mit meiner Tagesausflugsauswahl. Es ist so wunderbar leise.

Ein kleiner Junge kommt mir entgegen, so ca. 12 Jahre alt, sehr rundlich mit roten Wangen und freundlichem Gesicht. Er grüßt mich. Erstaunlich. In Berlin passiert so was nicht. Ich frage ihn nach der nächsten Badestelle. Er erklärt es mir ganz genau. Ich müßte so und so lang, dann kommte eine Bahnunterführung und so weiter.Ich bedankte mich bei ihm und beschließe nicht dahin zu gehen. Ich mag keine Bahnunterführungen. Sie sind unheimlich. Also gehe ich weiter und folge dem Schild mit dem roten i darauf. Die Touristeninformationsstelle befindet sich am Marktplatz. Die freundliche Dame dort gab mir eine Kopie von einer Stadtkarte. Außerdem erklärt sie mir den Weg zu einer anderen Badestelle. Einfach links von der Kirche geradeaus bis zur Brücke, dann über die Brücke rechts.

Auf der Brücke bleibe ich stehen und genieße die Aussicht. Zu beiden Seiten ein See. Wunderschön. Hinter der Brücke rechts, nur ein paar meter entfernt entdecke ich eine Badestelle. Weiches Gras, Schatten und Sonne und  ein Minisandstrand. Es gibt auch ein paar Picknickbänke und Tische und sogar ein Sportgerät. Die Picknickdinger halte ich für überflüssig sowie das Sportgerät, weil es ein wenig die Landschaft versaut, aber da ich ja direkt am Strand bin und aufs Wasser schaue, stört es mich nicht weiter.Es sind nämlich keine Leute da, außer ein Mann mit zwei Kindern in einem Ruderboot, der gerade eine kleine Pause einlegt und die in fette Schwimmwesten eingepackten Kinder am Ufer spielen läßt. Glücklicherweise hauen sie bald ab. Ich will nicht zuhören wie Erwachsene mit Kindern sprechen. Man merkt, daß sie gelangweilt sind, total und absolut, aber gleichzeitig fühlen sie sich verpflichted, lehrreich und vernünftig auf nervende Kinderfragen zu antworten.Die Kinderfragen sind auch nur nervend, weil die Eltern immer so pädagogisch wertvoll mit ihnen reden. Ein Lächeln kommt sehr selten bis nie dabei über ihre Lippen, denn sie nehmen das Erwachsensein ein bischen zu Ernst. Ich versuche krampfhaft mich zu entspannen. Das klappt natürlich ist. Man kann sich nicht krampfhaft entspannen. Das ist so wie wenn man unbedingt lustig sein will.

Das Wasser ist klar zumindest am Ufer, er gibt viele Fische und keinen Müll. Auch riecht das Wasser nicht faul und nach toten Fischen, so wie das in Berlin oft ist. Dieser See ist es wert, daß er meinen neuen türkisfarbenen Bikini benässen darf.

Neulich war ich mit einer Freundin an einem Kiessee, hinter Pankow und dort hat sich das echte Berliner Zillevolk getroffen.Wir hatten erst einen Platz, der nach Hundescheiße roch, also zogen wir um. Wir beobachteten die ganze Zeit die Menschen und wunderten uns über die Kreativität der Häßlichkeit.

Es war ziemlich voll, es war ungefähr 34 Grad heiss und doch zog mich nichts ins Wasser. Wir lagen im Schatten und da konnte man es ertragen. Um ins Wasser zu kommen hätten wir durch die Menge von Fleischklössen gehen müssen, die sich ca 75 meter vor uns ausbreitete. Ich hatte extreme Gelüste auf Pommes rot weiß und es gab einen Imbisswagen in der Nähe.Die Schlange war lang und es ertönte sehr laute Schlagermusik aus den Boxen.Neben mir war ein übervoller Mülleimer und neben dem Mülleimer lag noch mal so viel Müll wie in dem Mülleimer und es stank bestialisch. Es störte mich aber nicht, weil alles paßte perfekt zusammen. Die Prolls vor mir in der Warteschlange, mit Nackentattoos, Bierbäuchen, Nazihaarschnitten und Nike Badelatschen, die deutsche Schlagermusik, wobei es sich um ältere Schlager handelte, die gar nicht schlecht waren, der Müllgestank, das verdorrte lange Gras und die überheiße brennende Sonne.

Ich wollte unbedingt diese Pommes.  Die Schlange bewegte sich irgendwie sehr und außergewöhnlich langsam weiter. Der Imbisswagen wurde von einem mittelalten raubeinigen Asi Pärchen betrieben. Sie sagte die Fritteuse hätte Probleme. Nach einer Weile, ca.10 Minuten später schrie sie plötzlich mit typisch Berliner Krächzstimme: „Einmal Pommes vorne ran!“ Daraufhin bewegten sich zwei Männer, die an ein Geländer gelehnt waren vorne ran und bekamen ihre Pommes. Irgendwie war mir nicht klar, was sie genau mit diesem Satz meinte. War er nur gedacht für die Leute, die schon bestellt hatten oder für alle, die Pommes wollten. Ich blieb auf meinem Platz und wartete weitere 20 Minuten. Ich bemerkte, daß neben dem Imbisswagen ein älteres Pärchen unter einem kleinen Zeltdach auf Klappstühlen saßen und Bierchen tranken. Es stand auch eine Kühlbox da und sie sahen aus als hätten sie ihren ganz persönlichen Lieblingsort gefunden. Sie genossen die Schlagermusik und der Müll und Fettgeruch störte sie nicht im geringsten.Wahrscheinlich waren es Verwandte oder Eltern der Imbissverkäufer. Zwischendurch brüllte die Imbissdame noch ein paar mal: einmal Pommes vorne ran. Dann sagte sie: Keine Pommes mehr.Ich hatte insgesamt 45 minuten angestanden und jetzt gab es keine Pommes mehr. Irgendwie schade, aber ich konnte mich auch nicht darüber aufregen.

Ich entschloss mich zusammen mit meiner Freundin doch noch ins Wasser zu gehen. Ich kam nur bis über die Knie.Das Wasser war dunkel und trübe. Ich dachte an meinen neuen Bikini.Das wollte ich ihm nicht antun.

Zurück zu meinem Fürstenbergtrip. Ich gehe ein paar mal ins Wasser und schwimme ein bischen  herum. Es ist schön im Wasser zu sein, aber es ist kein Vergleich mit dem Meer. Das Meer macht einen glücklich, es erfüllt einen mit Freude und Leben, so ein kleiner See erfrischt ein wenig, aber nicht mehr. Außerdem ist das Wasser viel zu warm. Warmes Seewasser fühlt sich nicht so sauber an.

Nach zweienhalb Stunden habe ich genug und beschließe die Ortschaft und die anderen beiden Seen zu erkunden. Ich gehe wieder über die Brücke zurück und da kommen mir ein kleines Kind und seine Großeltern entgegen.Die Großmutter sieht mich an und ich will schon Hallo sagen, aber mir bleibt das Hallo im Hals stecken.Selten habe ich so eine gruselig aussehende Frau gesehen.Sie sieht aus als sei sie schon tot und wochenlang im Wasser gelegen.Ihr Gesicht ist grau mir bläulichen Flecken unter Ihren Augen quollen dicke Schwammwürste. Immerhin macht sie eine Bewegung wie den Ansatz eines Nickens zum Gruße.Es war eine Mikrobewegung, also mache ich eine Mikrobewegung zurück. Hinter der Brücke biege ich rechts ab und gehe eine leere Straße entlang. Aus einem Fenster lehnt eine Frau und quatscht mit einer anderen Frau mit Hund, die auf der Straße steht.Typisch Dorf.Irgendwie gemütlich.

Dann komme ich zu einer großen Straße und nach ca 100 metern gibt es einen Park und einen See. Ich gehe durch den Park, wo eine komische Ausstellung ist mit Fotos von Schleusen. Und die zeitgeschichtlichen Hintergründe. Was es alles für Ausstellungen gibt!Wer findet so was interessant?Vielleicht ein Schleuseningenieur. Der Park ist sehr übersichtlich, aber hübsch gelegen am Wasser und irgendwie habe ich Lust ein Bier zu trinken, obwohl ich so gut wie nie Bier trinke.

Es gibt ein Restaurant mit Tischen direkt am Wasser mit Blick auf den Jachthafen. Der Kellner kommt, er ist jung und kommt irgendwo aus Südosteuropa oder eventuell auch aus dem arabischen Raum.Er duzt mich gleich und  versucht irgendwie ein Gespräch anzufangen.Ich versuche möglichst nicht zu lächeln, sondern gebe nur sehr knappe Antworten, nicht unfreundlich, aber distanziert.Ich habe gar keine Lust mich zu unterhalten. Er sieht aus wie ein dünner Fisch, der die ganze Zeit ganz schnell seine Flossen bewegt. Das Bier bringt mir dann ein anderer Kellner. Plötzlich taucht ein sehr dicker Mann auf mit einem aufgedunsenen ungesundem Gesicht, welches mies gelaunt und rötlich ist. Er hat eine Gießkanne in der Hand.Um ihn herum scharren sich drei Kellner, jeder aus einem anderen Land und beteuern, daß sie die Blumen alle gegossen haben. Er murmelt irgendwas in sich hinein. Man merkt, daß sie ihn nicht ausstehen können, aber sie haben Angst vor ihm. Er scheint der Besitzer von dem Restaurant zu sein.Er ist so ein Typ, vor dem jeder Angst hat, und auch Angst davor hat, daß jemals laut zu sagen, auch wenn er 1000 km entfernt wäre. Vom ästhetischen her würde er wunderbar zu der Wasserleiche von der Brücke passen. Jetzt fängt er an die Blumentöpfe zu gießen, die am Rand des Wassers stehen.Er traut seinen Angestellten nicht, die ihm ja beteuert haben, sie hätten alle die Blumen gegossen. Neben meinem Tisch ist auch ein Blumentopf, den er gießen muß.Ich beobachte ihn und stelle fest, daß er sehr unchefsmässig angezogen ist.Er hat eine graue Jogginghose an, die total abgetragen ist und nur noch aus grauen dreckigen Fusseln bestehen zu scheint. Sie paßt zu ihm. Ich halte dieLuft an, damit ich ihn nicht riechen muß. Vorsorge ist besser als Ekel.

Ich trinke mein Bier und beobachte die Menschen auf den teuren großen  Booten. Niemand lächelt auch nur ansatzweise, genau wie ich. Die Menschen wirken als wären sie aus ungebratenen Bratwürsten zusammengenäht worden. Das scheint der Menschenschlag in Brandenburg zu sein.Die traumhaft schöne Landschaft scheint sich nicht auf das Äußere Menschen übertragen zu haben. Höchswahrscheinlich auch nicht auf ihr Inneres. Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen. Auf der anderen Seite des Sees, in bester idyllischer Lage, befindet sich eine Gedenkstätte, ein Frauenkonzentrationslager. So ein schöner Ort für so etwas Böses! Wahrscheinlich waren die Bösen damals so böse, daß sie Schönes nicht mehr erkennen konnten. Oder sie waren extrem sarkastisch. Was ja auch böse ist.Ich wundere mich, warum ich gar nichts unterschwellig gruseliges fühle, was ja naheliegend wäre. In Berlin gruselt es mich an jeder Ecke, aber vielleicht lösen sich schlechte Schwingungen in ländlicher Umgebung besser auf.

Nach meinem Bier mache ich mich auf den Weg zu dem dritten See. Obwohl ich durch die Bahnunterführung gehen muß. Ich gehe durch ruhige Straßen mit alten Häusern, keine Autos, keine Menschen, ganz langsam kommt so was wie Entspannung auf.

Ich bin jetzt bei der Bahnunterführung angekommen und sie ist tatsächlich genauso unheimlich, wie ich sie mir vorgestellt habe. Fast habe ich Angst dadurchzugehen. Auf der anderen Seite ändert sich die Atmosphäre schlagartig. Es ist so als würde man auf die böse Seite der Stadt kommen. Gleich hinter der Unterführung links, befinden sich mehrere alte große leerstehende Gebäude, eine alte Fabrik. Man hört Jugendliche, die sich auf dem Gelände rumtreiben, Bier trinken, Abenteuer erleben wollen, oder eventuell andere Jugendliche gefangen nehmen und quälen. Ein Haufen Jugendlicher in einer leerstehenden Fabrik, das riecht nach Zerstörung und Glascherben und Vorstrafen. Als ich weitergehe wird es kurzzeitig etwas freundlicher, links von mir gibt es ein paar Häuser, die aussehen wie Pensionen in einer Alpenregion. Auf einem Haus steht ganz groß drauf „Urlaub vom Ich“. Sehr ansprechender Slogan, zumal ich ja die ganze Zeit versuche vor mir selber wegzulaufen und mich gleichzeitig finden will. Es kommen mir drei etwa elfjâhrige Jungen entgegen die alle gleich aussehen und auch noch dazu genauso aussehen, wie der Junge der mir anfangs den Weg erklärt hat. Ich finde das seltsam. Dann komme ich zur Festwiese, die gleichzeitig die Badestelle ist. Es gibt einen Sandstrand, eine Wiese, einen Spielplatz und ein Gebäude, indem sich ein Imbiss befindet. Die Typen die dort abhängen sehen nicht sehr vertrauenswürdig aus. Was wirklich vorsichtig ausgedrückt ist. Unvorsichtig ausgedrückt sehen sie aus wie Pornofilmregisseuere mit Darstellern, die nicht älter als 12 sind. Ich kann mir so richtig vorstellen wie sie sich an die Kinderchen ranmachen, die sich dort ein Eis holen. Der Kalle, der Hotte, der Bernd und der Rudi. Noch sind sie beste Kumpels, bis sie besoffen sind, dann schlagen sie sich gegenseitig mit ihren Bierflaschen die Schädel ein. Es ist schon gegen 18 Uhr und am Strand und im Wasser tummeln sich noch ein paar Teenager und größere Kinder. Der Ort gefällt mir nicht, ich gehe nur noch einmal schnell auf den langen Steg und schaue mir den See an, der zwar schön ist, aber so wirkt, als würde er ein dunkles Geheimnis haben.

Langsam werde ich müde und mache mich auf dem Weg zur guten Seite. Ich gehe nicht sofort zum Bahnhof sondern laufe noch ein bischen herum, um mir noch den Rest der Stadt anzuschauen.

Ich werde immer müder und  schleppe mich zum Bahnhof. Auf dem Weg dahin bemerke ich, wie mein Hirn nicht mehr richtig funktioniert. Ich komme an einer Kneipe vorbei und lese was auf der Menütafel steht.Schnelltest mit Ei. Kann doch nicht sein! Ich schau noch mal hin und da steht Schnitzel mit Ei. Finde ich nur ein bischen weniger komisch. Noch ein Schild.Herzliche Entrümpelungen! Das mag ich. Ich schau nicht nochmal hin, weil ich gar nicht wissen will was da wirklich steht.

Mein nächster Zug kommt in 45 Minuten. Es gibt ein Regal vor dem Bahnhof mit Bücherspenden für die Reise.Perfekt.Ich greife ein Buch, das Titelbild sieht gut aus, also nehm ich es. Don’t judge a book by its cover, sagt man ja.Ich mache es grundsätzlich. Ich reagiere auf optische Signale. Ich habe seit ewigen Zeiten kein Buch mehr gelesen, weil ich digitalbehindert geworden bin. Ich war ein besserer Mensch und hatte ein interessanteres Leben bevor es Smartphones gab.

Ich setze mich auf eine Bank am Bahnsteig und schaue mir das Buch genauer an. Es geht um eine adoptierte junge Frau, die in alten Akten aus einem ehemaligem Irrenhaus recherchiert und die von einer Akte ganz besonders fasziniert ist. In der Akte handelt es sich um eine Frau, die ungerechterweise in das besagte Irrenhaus gesteckt wurde, obwohl sie total gesund war. Ich fang also an zu lesen, Entspannung breitet sich in mir aus,als sich eine ältere Dame neben mich setzt. Sie trägt eine FFP2 Maske. Ich seh sie an, lächele, heute zum ersten Mal übrigens, und sage ihr wegen mir braucht sie die Maske nicht zu tragen. Es ist ja viel zu heiß und außerdem sind wir ja auch draußen. Sie freut sich sehr darüber und nimmt sie sofort ab und wirft auch ein, daß sie geimpft ist. 35 Grad im Schatten , geimpft mit Maske. Vorbildliche Bürgerin. und irgendwie geraten wir in ein Gespräch. Mehr aus Höflichkeit als aus Interesse, fataler Fehler. Sie erzählt mir von ihrem Häuschen am See und warum sie heute nach Berlin fahren muß und dies und das.Nette alte Dame, vermutlich unfreiwillig leicht vereinsamt, erfreut über ein Pläuschchen beim Warten auf den Zug. Kann ja auch nett sein so was.Aber ich will eigentlich mein Buch lesen, höre trotzdem weiter gelangweilt zu, und bekomme plötzlich einen Gähnanfall.Ich fange an in der Minute ungefähr 20 mal zu gähnen, ich kann gar nicht mehr aufhören. Ich stelle fest, daß ich dieses Gespräch sofort beenden muß, weil ich habe noch mindestens 30 minuten bis mein Zug kommt und so lange halte ich das nicht mehr aus. Also fange ich einfach an zu lesen, was zum natürlichen Ende unseres Gesprächs führt. Das Buch liest sich sehr leicht, die Geschichte fesselt mich mehr als erwartet. Ich denke darüber nach, warum ich dieses Buch gewählt habe und mir fällt auf, daß es was mit dem Ort zu tun hat in dem ja ein Frauenkonzentrationslager befand, was ja eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Frauenirrenhaus hat. Ich suche krampfhaft nach etwas Interessantem, weil der Ausflug nach Fürstenberg unterm Strich mangels synapsenabhängiger Erlebnisfähigkeit echt langweilig war. Dann passiert doch noch was. Etwas sehr nervendes. Ich sitze im Zug, lese mein Buch und es kommt eine Ansage. Eine Weltkriegsbombe wird entschärft und deswegen stoppt der Zug in Gesundbrunnen und alle die zum Hauptbahnhof müssen , sollen am Gesundbrunnen aussteigen und den Rest kann man nicht verstehen, weil die Frau an der entscheidenden Stelle plötzlich ganz undeutlich spricht. Ich steige also an Gesundbrunnen aus und eine andere Ansage von einem anderen Ansager sagt, daß man auf dem gleichen Gleis warten soll. Der Zug ist immer noch der gleiche und jeder der zum Hauptbahnhof will, solle da einsteigen. Ich wundere mich darüber, warum ich erst aussteigen mußte, aber anscheinend wundere ich mich nicht genug,sondern steige wieder in den gleichen Zug ein. Der Zug fährt los, aber in die falsche Richtung vorbei an Haltestellen, die ich gar nicht kenne und ich wundere mich jetzt richtig,aber leider zu spät. Da kommt eine Bahnangestellte an mir vorbei und ich frage sie panisch wo der Zug hinfährt.Sie sagt nach Berlin Lichtenberg und wegen der Bombenentschärfung muß ein Umweg gefahren werden und sie hätte das ja in ihrer Ansage schon gesagt,worauf ich ihr sage, daß man ihre Ansage nicht verstehen konnte, was sie wiederrum verwundert, weil sie sich doch zweimal wiederholt hat. Ich sage ihr, daß ich sie alle drei mal nicht verstanden habe, weil sie viel zu schnell redet. Sie bleibt freundlich und ich bin erleichtert, daß der Zug nicht wieder zurück nach Fürstenberg fährt, sondern nach Lichtenberg, von wo aus ich eine U Bahn nach Hause nehmen kann.

So unbedingt wie ich aus der Stadt rauswollte, so kann ich es nicht mehr erwarten endlich wieder nach Hause zu kommen.

Fazit von meinem Tagesausflug: In Deutschland wird man immer an den zweiten Weltkrieg erinnert. Ansonsten Fazit 2.0 : Same old, same old. Fazit 3.0: Was nutzt der Fazit?

Berlin Report Teil 1

Erpel an der Erpe

Eigentlich wollte ich schon früher mit meinem Berlin Report anfangen und ich wollte auch darüber berichten, wie es so war im Lockdown. Aber ich hab es nicht gemacht, weil was soll man da schon berichten und wen interessiert es überhaupt. Das gleiche könnte ich mich auch jetzt fragen. Aber man kann ja alles so lange hinterfragen, bis einem der Kopf schwirrt. Jetzt jedenfalls ist Berlin nicht mehr ganz so locked up, dafür gibt es Lockerungen, alles nähert sich langsam dem alten Normalzustand, bis auf die bescheuerten Atemschutzmasken, die einem vor dem Atmen beschützen. Man erstickt fast damit und sie stinken nach Chemie. Aber darum geht es hier nicht, dieses Thema hängt mir ja so zum Halse raus. Stattdessen will ich mich den Freuden des Lebens zuwenden. Es ist endlich Sommer. Berlin ist eine echte Drecksstadt, wie jede Großstadt und ich wünsche mir nichts sehnlicher als diesem Lärm und dem Gestank zu entkommen. Deswegen habe ich neulich einen kleinen Ausflug gemacht. Allerdings mußte ich nicht mal die Stadt verlassen um eine Naturkur zu bekommen. Meine erstes Ziel war der Flohmarkt in Friedrichshagen, der neulich zum ersten Mal seit langem wieder stattfand. Dieser Flohmarkt ist ziemlich toll, weil man wirklich schöne Sachen zu ländlichen Preisen findet. Friedrichshagen ist wunderschön gelegen, aber ich mag es dort eigentlich nicht besonders, weil da ziemlich viele deutschlandbewußte Leute wohnen, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die Kurzgeschorenen, die Alteingesessenen, die vom Leben vergilbten, die Opfer des Systems, die Ungläubigen, die Frauen mit unattraktiven rauhen Gattenmörderinnenstimmen, die Tabakverseuchten, die Bratwurstfresser, die Vereinsmitglieder, sie alle erschaffen eine Atmosphäre des unterschwelligen Grauens, welches teilweise durch die idyllische Lage neutralisiert wird. Deswegen (idylische Lage) ist Friedrichshagen schon eine Reise wert und in Berlin ist man ja sowieso abgehärtet bis abgestumpft, wenn es um Düsterkeit und unterirdische Gestalten geht. Gestern war ich einfach so gut gelaunt, daß ich alles was mich an Durschschnittstagen stört bis an die Nervenobergrenze, einfach an einer Glücksmauer abprallte. Liebes Universum, lass mich doch immer so sein! Ich kaufte vier alte Notenblätter, weil sie einfach so wunderschön gestaltete Titelbilder hatten. Dann fand ich einen Scherenschnitt aus den 20er Jahren und eine alte Kaffeedose mit zwei Pferdchen drauf. Ich war total glücklich mit meinen Errungenschaften, und es störte mich nur am Rande, als ich bemerkte, daß ich einen Verfolger hatte. Immer wenn ich mir gerade etwas angeschaut hatte und wieder hochsah, starrte mich so ein jungscher Osteuropäer an. Er hatte so ein Gesicht wie ein geistig behinderter Mörder, der gerade aus einem Kohlenkeller aus einer anderen Zeit von dunklen Mächten hierhergeordert wurde. Man sah wegen dem Maskenzwang nur die Hälfte seines Gesichts, aber irgendwie denkt man sich den Rest dazu. Ich überlegte mir, was ich mit diesem wunderschönen Tag noch machen sollte. Meine Einkaufslust war befriedigt und ich wollte auf gar keinen Fall nach Hause gehen. Neben dem Flohmarkt gibt es eine Straßenbahnhaltestelle, wo eine antike Bahn langfährt, die einen in alte brandenburgische Dörfer entführt. Ich stellte mich an die Haltestelle und war ein bischen unschlüssig, ob ich eine Reise in ihr wagen sollte. Die Entscheidung wurde mir abgenommen, weil ca. 15 meter links von mir wartete mein Verfolger auch auf die Strassenbahn. Ok, also die nehme ich schon mal nicht. Ich schlich mich weg, überquerte eine Strasse und stellte mich an eine Ampel um eine andere Straße zu überqueren. Ich blickte um mich und was sehe ich? Den Kohlenkellermörder. Diesmal allerdings würdigt er mich keines Blicks, sondern überquert die andere Strasse links hinter mir. Er wirkte wie ferngesteuert. Befehlsänderung aus der Unterwelt mit Ortsangabe eines Alternativopfers. Ich überlegte mir ob ich mit ihm fertiggeworden wäre und ich dachte an mein Taschenmesser und war mir nicht sicher ob ich es dabei hatte um ihn eventuell zu erstechen, falls er mich weiterverfolgt hätte. Aber dann dachte ich mir, ein ganz normales Anschreien hätte gereicht und er wäre wie ein geschlagener Straßenköter davongeschlichen und hätte noch 5 Jahre ins Straflager in der Hölle gehen müssen, weil er seine Auftrag nicht erfüllt hat. Ich entschied mich einen Waldweg Richtung Hirschgarten zu nehmen. Das war nur eine S- Bahn Station und ich hatte auf der Hinfahrt bemerkt, wie wunderschön die Natur zwischen den beiden Stationen war. Ich lief einen Waldweg lang,schaute ein paar Mal zurück, ob ich einen Verfolger hatte, die Luft war rein und sie roch wunderbar nach Sommer und Blüten. Der Wald endete und rechts von mir breiteten sich saftige Wiesen aus. Wasserbüffel und Kühe weideten friedlich nebeneinander im Schatten junger Weidenbäume.

Wasserbüffel im Erpetal

Es duftete himmlisch und ich stellte erstaunt fest, daß ich zum ersten Mal seit Jahren richtig unbeschwert und fröhlich war. Ich bemerkte zwar schon vorher, daß ich ungewöhnlich entspannt war, aber diese innere heitere Leichtigkeit war etwas, dessen Existenz ich vergessen hatte. Ich bog rechts in einen Feldweg ein, der sich zwischen saftigen Wiesen und einem kleinen Flüsschen lag, welches Erpe heißt. Es war heiß und ich bemerkte das ich nichts zu trinken dabei hatte und ich hatte Hunger. Eine ältere Dame mit feuerroten Locken und ein junger Mann kamen mir entgegen und ich fragte sie ob es in der der Nähe ein Cafe oder ein Restaurant gebe. Die Rothaarige sagte, daß es hier nichts gebe erst wieder in Köpenick, ich fragte nach dem Weg. Sie erklärte ihn mir ganz genau, sagte aber es wäre ganz schön weit weg. Ich bemerkte wie sie zitterte. Sie war auch mindestens schon 70 Jahre alt und der junge Mann neben ihr wirkte ein wenig geistig benachteiligt, allerdings auf eine freundliche Art. Er war wahrscheinlich ihr Enkelsohn. Oder ihr Freund. wer weiß das schon. Die beiden waren ganz reizend und ich ging weiter. Nach etwa zwei Kilometern kam ich zu einer Kleingartenkolonie. Ich entdeckte, daß es dort eine Gaststätte gab, die Vereinsheim hieß. Durch den Schankraum kam man in den Biergarten. Ich war der einzige Gast, was mich sehr glücklich machte, weil so niemand meine Blase der Glückseligkeit mit grausamen menschlichen Geräuschen zum zerplatzen bringen würde. Ich bestellte ein Radler und gebackenen Camenbert mit Pommes, ordinär und rustikal wie das Ambiente. Es gab eine kleinen Brunnen, der vor sich hinplätscherte und das fettige kohlehydratreiche Essen machte mich sehr satt und auch sehr glücklich. Normalerweise esse ich immer gesunde Sachen, damit ich meine körperliche Jugend möglichst lange konserviere, deswegen war dieser fette in altem Öl ausgebackene wahrscheinlich wegen dem langen Lockdowschon abgelaufene und auch ein bischen fade schmeckende Camenbert wie ein Festessen. Als Kind hatte ich eine Abneigung gegen alles gesunde. Ich hab immer gesagt, ich will essen was mir schmeckt, nicht was gesund ist. Immer wenn Erwachsene gesagt haben, das ist gesund war es garantiert etwas total langweiliges wie Gemüsesuppe. Mag ich immer noch nicht.

Nach meiner ordinären Mahlzeit zog ich weiter in Richtung Köpenick. Ich ging unter der S- Bahn Station Hirschgarten hindurch und ging an einer kleinen ruhigen Straße entlang. Es war so wunderbar ruhig und ich mußte an meine Wohnung denken, bei der man wenn man die Fenster aufmacht ständig und ununterbrochen im Dauerlärmstress ist.

Eine weitere Sache, die ich in meinem Leben ändern muß. Diese Stadt ist nicht mehr der richtige Ort für mich, die Zeit in Berlin ist bald abgelaufen, nichts dort kann meine Begeisterung entfachen, ich höre nur Lärm, Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen, Strassenbahn und Autos. Dieser Lärm stört ganz gewaltig meinen Seelenfrieden, ich habe große Schwierigkeiten mich zu konzentrieren und ich will auch keine Musik hören müssen, damit ich die Autos nicht höre. Meine Lieblingsgeräusche sind Vogelgesang, Blätter im Wind, Wind, Wasserplätschern, Meeresrauschen und Regen. Das wirkt wie eine sofortwirkende Schmerztablette. Sofort werde ich entspannt und freue mich wieder des Daseins. Ich kam an einem Haus vorbei das eine Schautafel aufgestellt hatte. Ich sah es mir genauer an, es war eine homöopathische Praxis. In der Schautafel war eine Geschichte über die Angst. Ich hatte diese Geschichte schon einmal irgendwo gelesen. Sie ist ist gut, passend zum Zeitgeschehen, siehe Foto. Dann war doch noch ein Foto von Franz Kafka als Kind, der vor einer Tierfigurstand, die aussah wie ein Schaf mit einem Hundeschwanz. Darunter stand ein sehr schlauer Satz, den er mal gesagt hat: Das Leben ist eine fortwährende Ablenkung, die nicht einmal zur Besinnung darüber kommt, wovon sie ablenkt.

Was für ein geniales Zitat! Ich finde es genial, weil ich auch so denke, für andere Leute mag es zu kopflastig sein, sie leben unbeschwert in ihrem langweiligen Trott und merken gar nicht, daß ihnen langweilig ist, beziehungsweise sie akzeptieren es einfach und sagen, so ist das Leben und dann gehen sie in die Autowerkstatt und auf dem Nachhauseweg besorgen sie noch schnell ein Reinigungsmittel für den Fußboden, das gerade im Angebot ist, wie sie beim morgentlichen Kaffeetrinken aus einem Prospekt erfahren haben. Ehrlich gesagt, ich beneide diese Menschen manchmal. Sie machen einfach, sind nicht glücklich, aber auch nicht unglücklich, sie schwimmen einfach mit dem Strom. Ich dagegen schwimme ständig gefühlsmäßig gegen Stromschnellen an, scheinbar ziellos, aber genauer betrachtet möchte ich beim Glücklichsein ankommen. Was auch nicht richtig ist, weil das wahre Glück bedarf keinerlei Aufwand und Erwartung. Wie an diesem schönen Sommertag. Einen Tag vorher war ich noch mies gelaunt, verzweifelt, genervt und hoffnungslos, der nächste Tag schenkte mir eine super Laune, ohne das sich irgendetwas in meinen Lebensumständen verändert hatte.

Ich ging weiter und kam an eine große Straße, die nicht besonders stark befahren war, da es Sonntag war. Am Straßenrand hatte jemand einen runden Plastikschlitten entsorgt. Er war pink und hatte einen Totenkopfaufkleber. Welcher hirn- und gefühlslose Proll setzt sein kleines, süßes,, unschuldiges rotznasiges Kleinkind auf einen Schlitten mit einem Totenkopfaufkleber? Und dann sobald es Sommer wird entsorgt er ihn am Strassenrand. Ich sehe diese Leute bildlich vor mir. Vater, Bierflasche in der tätowierten Hand, Haare an den Seiten abrasiert, Bomberjacke offen über Muskelshirt. Haare strassenköterblond,Gesichtsfarbe cholerisch gerötet. Mutter, rotgefärbtes Haar, Brille mit schwarzen Rahmen, mindestens fünf Piercings im Kopfbereich, enge Jeans,weil sie mit ihrem vom Fitnesstudio gestählten Hinterteil von ihren frustrierten Gesichtszügen ablenken will. Sie zieht auch den runden totenkopfbeklebten Schlitten auf dem ein kleines, dünnes, verrotztes, verheultes Mädchen sitzt, das von seiner Asimutter angeschrien wird: „Jaqueline ich warne dich, es setzt gleich was, wenn du nicht sofort aufhörst zu heulen. Ich bring dich gleich zu Omma und da kannste bleiben. Ich hab echt keinen Bock mehr,ey!“ Der Vater unterdessen geht im breitbeinigen Prollgang nebenher und telefoniert mit seinem besten Kumpel, mit dem er nachher noch ein paar Bierchen trinken will. Was die Laune der Rabenmutter, die das mitbekommt nochmal um 1000 prozent verschlechtert und das an der kleinen Jaqueline abläßt und sie anschreit:“ Es gibt jetzt eine Woche keine Schokolade für dich. Das hast du davon. Ohh Mann ey, ich hab die Faxen dicke.“Und das beste an der Story war, es lag nicht einmal Schnee.

Fundstück

Ich ging weiter entlang der großen Straße,die Seelenbinderstrasse heißt und ich denke kurz über den Namen nach. Er paßt schon mal sehr gut zu dem Totenkopfschlitten. Was ist ein Seelenbinder? Ein Heiratsvermittler oder ein Beerdigungsinstitutsbesitzer? Ich bog links ab und kam in einen Park, den ich durchquerte und dann über einen kleinen Weg gelangte ich an eine Brücke, die in die Altstadt führt. Ich fand ein paar schöne weiße Teller Porzellanteller mit Goldrand und packe sie in meine Tasche. Eine wirklich tolle Sache, weil ich wirklich Teller brauchte. Immer wenn ich irgendetwas für meine Wohnung brauche und es nicht gleich kaufe, finde ich es auf der Straße. Ich kam an einen Platz wo man sich auf Stufen ans Wasser setzen konnte. Dort wollte ich mich ausruhen. Ich war ziemlich lange gelaufen und war müde. Es dauerte nicht lange, da bekam ich Gesellschaft. Ein afrikanischer ( ich weiß echt nicht wie man das politisch korrekt sagt. Er hatte halt sehr dunkle Haut und Kräuselhaare ) Mann mit einer Bierdose in der Hand. Er quatschte mich an. Ich dachte nichts Böses dabei, man kann ja mal mit Leuten quatschen. Früher habe ich mit allen geredet, die mit mir reden wollten, jetzt passiert es sehr selten, daß Menschen mich anquatschen, was auch gut ist, weil ich habe keine guten Erfahrungen mit diesen Unterhaltungen gemacht habe und ich habe sowieso meistens keine Lust auf Menschen, außer ich kenn sie und weiß das ich sie mag. Aber da ich ja in so sonniger Stimmung war, war ich offen für ein Gespräch. Ich malte mir aus, das der Typ reich ist und kommt aus Amerika und ist ein Jazzmusiker und ich lande am Ende in einer gepflegten Bar bei einem angenehmen Gespräch und einem teuren Cocktail, zu dem ich eingeladen werde , ganz ohne obzöne Hintergedanken. So sehr lebe ich im Klischeedenken. Allerdings gibt es ja Klischees nicht umsonst. Eigentlich habe ich auch eine Abneigung gegen die Art wie manche Afrikaner mit Frauen reden. Sehr direkt und unverschämt. Und leicht agressiv wenn man auf die plumpe Masche nicht anspringt. Man soll ja keine Vorurteile haben, was aber manchmal sehr schwer ist. Egal ich gab ihm eine Chance,trotz Vorurteile. Der Typ der übrigens Steven hieß, erzählte mir, daß er seit drei Tagen in Köpenick wohnt, gleich in dem Haus neben dem Platz bei dem Wasser wo wir grad saßen. Ich war echt durstig und fragte ihn ob er mir einem Glas Wasser geben kann aus seiner Wohnung. Wir gingen die paar Schritte zu seiner Wohnung, Souterain und er bat mich hinein. Er sagt ich sei die erste Frau in seiner neuen Wohnung und ich solle vorbeikommen und ihm helfen die Wohnung einzurichten. Es ging schon mal in die gleiche Richtung wie immer. Richtung nervender Typ. Er gab mit mein Wasser und ich wollte nix wie zurück nach draußen, raus aus der Wohnung des verzweifelt nach weiblicher Gesellschaft sich sehnenden einsamen Mannes.

am Wasser in Köpenick

Wieder draussen angekommen erzählte er mir seine Leidensgeschichte. Er hatte sich vor zwei Jahren von seiner Frau getrennt, war sehr traurig gewesen, sein Herz war zerbrochen, inzwischen aber vernarbt, aber jetzt wieder offen für eine neue Beziehung. Ich sagte ihm gleich, um weitere Komplikationen zu vermeiden, daß ich alleine sehr glücklich bin, was zwar halb gelogen war, weil ich nur die Hälfte der Tage darüber glücklich war und die andere Hälfte der Tage schon etwas vermisste. Aber wenn ich mir übertriebener weise vorstellte eine höhere Macht würde zu mir sagen, entweder du nimmst jetzt diesen Typen als Partner oder du bleibst für immer alleine, da würde ich kniend am Boden fehen: Bitte, ich will alleine bleiben!

Dann klingelte sein Handy. Sein Onkel war dran. Er erzählte ihm sofort, daß er eine tolle Frau kennengelernt hatte und gab mir auch noch das Telefon, in das ich hineinwinken sollte, weil es ein Videocall war. Ich winkte kurz und gab ihm halbwegs genervt das Telefon wieder. Er sagte mir wiederholt wie attraktiv und bla bla bla er mich findet und er war so einsam, und jetzt hat ihm Gott mich geschickt. Ich mußte immer wiederholen, daß ich keinerlei Interesse hatte. Er sagte ich wäre kompliziert. Was für ein Blödmann. Ich hätte sofort gehen sollen. Aber dann hätte ich die tragisch komische Geschichte verpasst, die er mir erzählte. Die Geschichte von ihm und seiner Frau in Kurzfassung.

Stevens Geschichte

Er hatte früher in Amsterdam gelebt und in einem Coffeshop gearbeitet. Da kam immer eine Frau rein, die ihn so intensiv angeschaut hat. Sie kam immer wieder, starrte ihn an und ging dann wieder. Dann gab ihm ein Kollege die Telefonnummer von der Frau die wieder mal in den Coffeeshop ging um Steven anzustarren, er aber an dem Tag nicht arbeitete. Steven rief sie an. Darauf verabredeten sie sich in seiner Wohnung. Sobald sie einen Schritt in seine Wohnung getan hat, zog sie sich aus und stürzte sich auf ihn und schlief mit ihm. Bald heirateten sie und sie nahm ab. Zu dem Zeitpunkt, als sie ihn kennengelernt hat wog sie 160 kg. Ich fragte ihn, ob sie ihm nicht zu fett gewesen sei. Jedenfalls kam sie aus Thüringen und er zog mit ihr nach Berlin. Bald nach der Heirat wurde die Frau untreu und belog ihn. Er litt still und blieb verheiratet. Dann nach 14 Jahren kam es zum Eklat. Es war Weihnachten. Seine Schwiegereltern waren zu Besuch. Er hatte laut seinen eigenen Worten genug getrunken und legte sich ins Bett um zu schlafen. Dann wachte er plötzlich auf, weil er nicht mehr atmen konnte. Sein Schwiegervater saß auf seiner Brust, und der Schwiegervater wog an die 200 kilo. Er saß also auf seiner Brust und hatte seine Hände um Stevens Hals gelegt und war dabei ihn zu erwürgen. Die Schwiegermutter, 180 kg, saß auf seinem Bauch und die Ehefrau hielt seine Beine fest. Die drei wollten ihn ermorden. Irgendwie schaffte es Steven aber mit seinen Fingern in die Augen von dem Schwiegervater zu stechen, der daraufhin schrie und nach hinten über die fette Schwiegermutter purzelte und wie ein alte Kartoffelsack auf dem Boden liegenblieb. Die Schwiegermutter lag auch auf dem Boden.

Darauf hin erstattete Steven Anzeige und trennte sich von seiner Frau. Er ließ alles stehen und liegen und zog aus. Daraufhin folgten harte Jahre und sein Herz war zerbrochen. Deswegen säuft er jetzt und kiffen tut er auch. Aber letzteres hat er auch vorher schon gemacht. Ich sagte ihm, wenn er eine Frau beeindrucken will, sollte er nicht erzählen, das er kifft und säuft. Außerdem ist es unattraktiv, wenn man sofort zeigt wie bedürftig und einsam man ist. Das kommt nicht so gut bei den Ladies an. Er sagte mir, daß er einfach nicht wisse wie man Frauen anquatscht. Ich sagte ihm, daß er auf jeden Fall alles falsch macht. Er erzählte mir unter anderem er lasse sich zwei mal im Jahr von oben bis unten checken, damit er sich sicher ist das alles noch funktioniert bei ihm. Dann rief wieder irgendein Verwandter an, er gab mir wieder das Telefon, ich gab es ihm verärgert zurück. Er jammerte und klagte über sein hartes Schicksal und seine Einsamkeit und das seine Geliebte jetzt das Bier ist. Ich verspürte keinerlei Mitleid mit ihm, ich fand ihn nur extrem nervend, trotzdem gab ich mitr Mühe Höflichkeit zu heucheln. was auch nicht ganz war ist, weil in solchen Situationen bin ich immer zwiegespalten, weil ich in Wirklichkeit schon Mitleid habe, aber gleichzeitig Abscheu. Immerhin ist er ja ein Artgenosse. Wir sind alles unvollkommene Wesen. Er betonte die ganze Zeit, was für eine guter Mensch er ist. Er laberte und laberte und wenn er merkte, daß ich einen Moment nicht zuhörte, rempelte er mich an. Ich bekam dann schon leichte Agressionen und hatte genug. Das Ding ist, hätte er nicht gleich so eindeutige Avancen gemacht, hätte ich ihn sympathisch gefunden, zwar nicht mehr, aber die Unterhaltung wäre angenehmer verlaufen, weil er war ja schon auch lustig. Jetzt aber wollte ich nix wie weg. Er gab mir seine Telefonnummer und ich sollte ihn gleich anrufen, damit er auch meine hat. Ich sollte ihn auch besuchen kommen, jederzeit, wir wären ja Freunde. Ich speicherte seine Nummer und rief ihn zurück damit er meine Nummer hatte. Ich hatte vor ihn sofort zu blockieren. Ja, gemein, aber so bin ich halt. Ich habe das schon einige Male gemacht, Typen meine Nummer gegeben, und sie dann blockiert. Ich hätte sie auch niemanden geben müssen, aber ehrlich gesagt macht es mir Spaß nervenden Typen meine Nummer zu geben, sie machen sich dann irgendwelche unsinnigen Hoffnungen und ich mache die Hoffnungen dann auf gemeine Art zunichte indem ich sie blockiere. Ein kindisches Vergnügen. Und solche Nervensägen verdienen eine Bestrafung. Ich brauche unbedingt ein besseres Hobby.

Er bestand darauf mich zur Strassenbahn zu begleiten, die glücklicherweise bald kam.Ich nahm einfach irgendeine Bahn, die erste die kam. Er hatte es nicht geschafft meinen Tag zu ruinieren, ganz im Gegenteil, seine Story mit den fetten Thüringern war äußerst unterhaltsam.

Ich freue mich schon auf den nächsten Ausflug ins Berliner Hinterland. Und ich habe gerade eine Stimme aus meinem Inneren gehört. Sie sagte: Geh raus und sammle Geschichten!

Kanada Report Teil 19

Kaninchenmodus

Wir schreiben den 3.02.2021. Ich lebe seit 1.04.2019 wieder in Berlin. Ich habe mir den Auftrag gegeben einen letzten Beitrag über meinen Kanada Aufenthalt zu schreiben. Ich muß es einfach tun. Ich habe schon einen kompletten sehr, sehr, sehr langen geschrieben, aber ich konnte ihn nicht veröffentlichen, weil er zu persönlich und zu traurig war. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in den dunkelsten und kältesten Winkeln meiner Seele. So dunkel, daß ich das mit niemandem teilen möchte, weil es auch zu dunkel war um es humorvoll zu verpacken. Ich befand mich nicht nur in der Dunkelheit, ich war selber Dunkelheit. Meine Existenz war nicht mehr vorhanden, Es gab mich nicht mehr, nur mein Körper war noch da,und ich zwang mich dazu noch irgendwie zu funktionieren, Diese Phase dauerte 17 lange Monate, danach fing es ganz langsam an zu dämmern,inzwischen bin ich zwar keine Sonne, aber immerhin eine 25 Watt Birne. Heute habe ich einen kurzen Stromausfall gehabt und in mir breitete sich die kalte Schwärze der Hoffnungslosigkeit aus. Etwas was mich mein ganzes Leben verfolgt, egal wo ich lebe, ich laufe und laufe und manchmal holt es mich ein. Dann bin ich wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht, gelähmt vor Angst und Panik. Wo soll ich hin, was soll ich tun, wo bin ich, wer bin ich, wer war ich, wer werd ich sein und dann irgendwann nicht mehr sein. Denn alles endet mit dem Tod.

Bürgerliches Haus mit poetischem Touch

Ja soweit gehe ich in meinen Panikgedanken. Wozu soll ich überhaupt leben, wenn ich sowieso irgendwann sterbe? Und dann soll ich mich auch noch stressen bis dahin, warum? Und dann denke ich über die Welt nach und was gerade alles passiert und plötzlich hat die ganze Welt Angst vor dem Tod. Und das obwohl klar ist, daß wirklich jeder sowieso sterben muß. Wenn man die Sachen auf einen Punkt bringt, dann wird der ganze Wahnsinn total offensichtlich. Aber heute als ich im Kaninchenmodus war, erinnerte ich mich plötzlich an meinen Kanada Report und da kamen mir zwei Ideen.Und zwar die letzte Folge zu schreiben und dann eine neue Serie zu beginnen über meine Erlebnisse hier und jetzt in dieser historischen, hysterischen, verdrehten, verblendeten und auch entblendeten Zeit. 

Letzes Jahr am 21. Juli begann ich die zweite Version meines Kanada Reports Nummer 19 zu schreiben. Und jetzt werde ich versuchen sie zu einem Ende zu bringen. Damit ich danach meinen Berlin Report schreiben kann. Was eine Steigerung zum Kanada Report ist, wo ich mich die meiste Zeit in einem Lockdown Gefühl befunden habe, obwohl damals die Welt noch normal schien und ja auch war, im menschlichen Sinne. Und doch wenn ich mir meine Berichte so durchlese, muß ich feststellen, daß es auf eine sehr komische Art eine sehr tolle Zeit war. Sie hat mich an meine Grenzen gebracht. Und dafür kann ich nur dankbar sein. In Wirklichkeit war ich aber ganz schön lange sehr sauer darüber. 

21.07.2020

Ich wundere mich über die Fliegen, die über meinen Fußende kreisen. Warum nur? Ich habe gerade gewischt und sie kreisen immer noch. Wie Aasgeier.

Lang lang ist es her und doch kreist es immer noch in meinen Gedanken und läßt mich nicht zur Ruhe kommen. Wie ferngesteuert komme ich immer wieder auf dasselbe verdammte Thema zurück, obwohl es so absurd ist. Absurd. das ganze Leben erscheint mir in einem absurden Licht, das abwechselnd flackert, schimmert, aufflammt, strahlt, sich verdüstert, erlischt, plötzlich wieder dämmert, mich blendet, mich verbrennt, mich erfrieren läßt. Und als Höhepunkt des Dramas frage ich mich ob ich vielleicht schon ein Geist bin. Lebe ich eigentlich. Das ist eine Frage, aber ich habe vergessen wie man Fragezeichen schreibt. Mit diesem Computer. Dieser Computer. Ein Dämon steckt vielleicht in ihm und ich frage mich, wußte ich jemals, wie man Fragezeichen schreibt? Mir ist es wieder eingefallen. Ein Glück.

 Zunächst muß ich gestehen, daß Kanada Report ein wenig irreführend ist, denn ich befinde mich, falls ich noch lebe, schon seit April 2019 nicht mehr dort, aber eine Stimme flüstert mir immer wieder schreiend zu, daß ich noch eine letzte Folge schreiben muß. Ich habe schon eine Fassung von Teil 19 geschrieben, aber sie hat mir nicht gefallen, weil sie war kein krönender Abschluß. Mit krönend ist auch kein Gold gemeint, sondern eher eine Dornenkrone. Ich schaffe es einfach nicht, nicht dramatisch zu sein. Schade, denn meine Dramasucht, hat mein Leben in ein Drama verwandelt. Ich befinde mich mittendrin und bin gleichzeitig vom Rest der Welt komplett abgeschnitten. Wenn ich unter Menschen bin, spiele ich nur eine Rolle, denn wenn ich mich wirklich zeigen würde, würden sich alle schaudernd abwenden. Sie wären erschreckt von der unendlichen Leere, von dem unendlich schwarzen Loch, das dort ist, wo einmal ein Herz war. Als ich noch ein Herz hatte, als ich noch lebendig war, als ich noch Wünsche hatte, bevor ich mir selber mein Herz herausriss und den Dämonen zum Fraß vorwarf. Was sie aber nicht dazu veranlaßte mich in Ruhe zu lassen, nein ganz im Gegenteil, sie haben es sich dort gemütlich gemacht, wo vorher mein lebendiges Herz war.

Ersatzherz

Ich kann mich trotz meinem Zweifel an meiner eigenen Existenz nicht an die Dämonen gewöhnen und befinde mich auf einem Wachposten, der mir Nachts den Schlaf raubt, In meinem Kopf drehe ich an dem Rad der Zeit und versuchen an den exakten Zeitpunkt zurück zu gehen, an dem die Weichen gestellt wurden. Ich bin in Gedanken in der Zukunft, als die Zeitmaschine schon erfunden war und ich drehe und drehe, Zahnrad für Zahnrad und warte auf den Klick. Auf den Klick als ich die Wahl hatte zwischen richtig und falsch, als ich die richtige Balance finden mußte zwischen Herz und Verstand, auf den Klick von der letzen Chance die Weichen zu stellen und den Zug auf eine schöne Reise zu schicken. Und was wäre wenn ich den Klick hören würde, es würde mir nichts nützen weil ich ja nur in Gedanken in der Zukunft wäre in der die Zeitmaschine schon erfunden wäre. In Kanada befand ich mich in einer Zwischenwelt, auf meinem Weg zur Unterwelt, da wo ich jetzt bin, aber ich will an die Oberwelt , da wo die Sonne scheint.

Oberwelt

Die Frage ist, was habe ich hier zu tun? Angenommen es gibt eine Realität, wie komme ich da hin? Aber ich zweifel daran, denn jeder hat seine eigene und meine ist fast unerträglich. Zeitweise. Schon ziemlich lange. Und doch habe ich nicht den Willen und auch nicht die Kraft irgendetwas zu verändern, Ich suhle mich im Schlamm meiner Traurigkeit, ich wühle darin und versuche etwas wertvolles dort zu finden. Meine Seele.

Das Gute wenn es einem schlecht geht ist, daß man sich selber erforscht, weil erstens ist man alleine, und man kann sonst niemanden erforschen, und zweitens wird man gründlich. Man sagt zu sich, daß man die Wahrheit finden muß, und so ist jeder Tag so schwer er auch erscheinen mag, ein Tag an dem man einige Staubkörner entfernt. Eigentlich ist die Wahrnehmung geschärft und man sieht genauer hin. Ich frage mich warum bin ich so wie ich bin. Das soll ich mich fragen und auch wer bin ich und warum bin ich hier? Eigentlich ein Luxus und ein Vorzeichen, daß es besser wird, sonst würde ich ja gar nicht die Chance bekommen darüber nachzudenken. 

Ende 2018 kam es zur Explosion, alles was übrig war wurde dem Erdboden gleichgemacht. Alles angestaute hatte keinen Platz mehr, es mußte einfach so kommen. Und es konnte auch nicht mehr weitergehen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, war es dann doch eine Überraschung. Denn es geschah zu einem Zeitpunkt, als ich eigentlich wieder neuen Mut geschöpft habe, so wie ein Soldat im Schützengraben, als schon lange nicht mehr geschossen wurde und er langsam aufsteht und er frohen Mutes tief durchatmet und dann trifft ihn plötzlich ein Schuss.

3.02.2021

Und jetzt wo ich die Geschichte zu Ende schreiben will, fällt es mir schwer darüber zu schreiben, weil es  schon so lange her ist und weil es so schlimm war und  ich diese grauenhafte Zeit nicht wiederkäuen möchte.

Ganz kurz zusammengefasst.Es kam zu einem einem Riesenstreit, ein Wutanfall ausgelöst durch eine Lapalie, Geschrei, Gezeter und auch Polizei, aus einer Mücke wurde eine ganze Elefantenherde.Dominoeffekt in real life. Im Grunde genommen war es ein unsinniger total übertriebener Streit, der sich unkontrolliert exponentiellisierte auf neudeutsch. Ich überlegte nicht mehr lang und traf eine sehr sehr schwere und schwerwiegende Entscheidung. Die ich nachträglich millionenfach bereute, und mich sehr lange Zeit versuchen ließ das ganze mit meinen Gedanken zu reparieren, was leider wirklich auch nach dem neusten Stand der Forschung nicht möglich ist.

Ich verließ Kanada zusammen mit meiner Tochter und unserer Katze, ich verließ meinen Mann, schwersten, zerbrochenen Herzens, und ging mit zwei Koffern nach Berlin. So krass! Das war das krasseste was ich jemals in meinem gesamten Leben gemacht habe, Alter.

Mein Herz zerbrach, starb und wurde in die Hölle geschickt. Ich glaube ich lebe jetzt wirklich ohne Herz. Ich höre es nicht mehr. Vielleicht denke ich es auch, weil es nicht mehr wehtut und ich wundere mich darüber. Vielleicht tut es auch noch weh, aber ich habe mich daran gewöhnt, so das ich es nicht mehr merke. Oder vielleicht ist es auch einfach wieder gesund und wartet einfach nur darauf sich wieder freuen zu können.

27.02.2021

Schon wieder hab ich eine lange Pause gemacht, aber es ist ja egal, weil die Zeit wertlos geworden ist, dadurch daß man zur Zeit unendlich viel davon hat, eine Zeitinflation. Ich wollte gerne noch was über meine letzte Zeit in Kanada schreiben, bevor die Inflation der Zeit meine Erinnerungen total verblassen lässt oder schlimmer noch verfälscht. In den viereinhalb Jahren, die ich dort war, habe ich relativ wenig erlebt, es gab wenig Abwechslung, viel Frust, viel ungestillte Sehnsucht, viel undefinierbare Trauer und viel Unruhe und viel selber Schuld. Und es gab auch viel Schönes, sehr viel mehr als meine Wahrnehmung es zuließ, deswegen kann ich nicht davon berichten, weil ich es nicht gesehen habe. Die letzten drei Monate in Kanada waren die schlimmsten Monate meines Lebens, weil ich, nachdem ich mich versehentlich entschlossen hatte oder besser gesagt nachdem ich mir einbildete gezwungen zu sein eine Entscheidung zu treffen, (in totaler Wirrniss und mit Chaos im Kopf sollte man keine Entscheidungen treffen) noch drei Monate dort weilte in dem Wissen, daß mein Vorhaben zwar mutig war, aber weder gut, noch schlau oder erfreulich. Ich war fremd bestimmt, aber ich weiß nicht genau von wem. Aber das Leben ist wie eine Fernsehserie und es geht immer weiter und man weiß nicht was noch alles passiert.

Es war so, als wäre ich von einem fiesen feixendem Clown, den nur ich sehe, mit einer Steinschleuder ins All geschleudert worden. Und dort fliege ich jetzt alleine rum und weiß nicht wo ich landen soll, ich weiß nicht mal mehr ob ich überhaupt mal lande. Ich hoffe es, Weil ich die Erde gerne mag, die Erde als Planeten, exclusive doofer Menschen. Ich will ein bodenständiger Mensch sein, der in sich ruht, gute Dinge tut, vor allem überhaupt Dinge tut, ruhig und gelassen ist, auch ohne Johanniskrauttabletten, der mit den Fingern schnipsend Wünsche erfüllt, ein Mensch, der sein Herz fühlt, weil es voller Freude ist. Stattdessen fühle ich mich wie ferngesteuert, wieder von diesem blöden Clown. Es gibt einen Gott und es gibt auch einen blöden Clown. Kein Wunder, daß Menschen Angst vor Cläunen haben, ich sollte Clowns schreiben, aber ich mag Cläunen lieber.

Ich weiß noch als sich die Energie um mich herum plötzlich veränderte, es war im Oktober 2014, von einem Tag auf den anderen, ich war grad auf einem Bahnsteig zwischen Pickering und Toronto, es war in Rouge Hill oder so ähnlich, irgendwas mit Rouge auf jeden Fall und es war ein Tag, der war so grau und gar nicht rouge. Ich stand auf diesem total verödeten Bahnsteig, es war kalt. grau und einsam und hinter mir befanden sich Büsche und dahinter der kalte große Ontariosee. Im Sommer eine Augenweide, im Winter ein eisiger Geist. Es war zwar noch Herbst, aber es war Ende Oktober und alles war kalt und nass und trostlos anzusehen und zu meinen Füßen kroch eine kleine haarige Raupe, ich fotografierte sie sogar. Da geschah es. Hinter mir aus den Büschen war der blöde Clown versteckt und streckte seinen langen gemeinen Arm nach meinem Herzen aus und nahm es in seinen garstigen Clownsgriff und ließ es nicht mehr los, Er drückte seine langen Fingernägel hinein, drückte mal mehr, mal weniger. Bis dahin, bis ich die kleine Raupe sah, war alles noch in Ordnung. Aber dann kam der Raupenmoment, als der Clown zugriff. Und da war ich erst zwei Monate in Kanada. Von da an begleitete mich ein Schmerz. Was ist das Gegenteil von rosaroter Brille? In meinem Fall die Rouge Hill Brille.

Wer meinen Kanada Report gelesen hat, der weiß, wie es um mein Gemüt dort bestellt war. Nicht gut und es war nicht meine Schuld. Es war der Clown.

Zu traumatisch um es aufzuwärmen spare ich die Geschehenisse der letzten Zeit in Kanada aus, obwohl ich angekündigt habe, davon zu berichten. Sorry, I just cannot. Ich mache direkt weiter in Berlin, Germany, der Hauptstadt der Dunkelheit und Hundescheiße, der Stadt der hoffnungsvollen Verlorenen, der Stadt der faltigen Teenager, der Stadt der Alpträume ohne zu schlafen, der Stadt die gerade im Viruskoma liegt. In meinem nächsten Beitrag, dem Berlin Report Teil 1.

Kanada Report, Teil 18

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Es gibt wieder einiges zu berichten aus der Vorstadt mit dem Kernkraftwerk. Das Kernkraftwerk ist übrigens im gleichen Jahr gebaut worden in dem ich geboren wurde. Das ist wahrscheinlich auch meine schicksalshafte Verbindung mit diesem Schrottort. Ist sehr an den Haaren herbeigezogen, ich geb es ja zu, aber ich versuche wirklich die größeren Zusammenhänge zu verstehen und Aufregung in mein stinklangweiliges Leben zu bringen. Zufällig stieß ich heute auf das Thema Kernkraftwerk, weil ich rausfinden wollte, wer die Leiche war, die unweit vom Kernkraftwerk angeschwemmt und vor zwei Tagen gefunden wurde. Es handelte sich um einen 46 jährigen Mann, der schon seit Ende Dezember 2017 vermißt wurde. Auf der gleichen Seite von den Durham News, sah ich auch eine Petition für die Schließung des völlig veralteten Atommeilers und unterschrieb sie auch sofort. Ich dachte an die ganzen toten Riesenfische die man manchmal am Strand findet. Keine kleinen Fische, nein Atomfische. Das bemerkenswerte an der Seite der Durham News ist, daß auf jedem Foto zu einer Straftat, ein Polizeiauto zu sehen ist. Kommt man auf die Seite von den Durham News (Durham: das ist das Gebiet in dem sich unter anderen auch Pickering befindet) sieht man mindestens drei Fotos mit Polizeiautos. Und ein paar Büsche im Hintergrund. Vielleicht auch noch einen oder zwei Polizeibeamte von hinten. Das sind die Dinge, die einem Menschen mit Langeweile auffallen. Mir fiel auch auf, daß der Nachname von dem Toten, zufällig der gleiche Nachname war wie von dem Inslebenrufer der Petition für die Schließung des Kernkraftwerks. Aber nur der Nachname. Wo wir schon beim nuklearen Thema sind, ich war letzte Woche bei einem Stresstest (trotz oder gerade wegen meines langweiligen Lebens), wo ich aufs Laufband mußte und mir nukleare Flüssigkeit gespritzt wurde, damit man den Grund für mein abnormales EKG findet. Der Arzt versicherte mir, es wäre auf keinen Fall eine gefährliche Dosis, ich schaute ihn nur an und sagte ich hätte keine Angst davor, ich wohne ja schließlich in Pickering.

Pickering, die Stadt in der man von Langeweile krank wird.

Zum Jahreswechsel habe ich eine sehr lange Liste geschrieben, länger als die vom letzten Jahr, weil die Sachen , die ich 2017 nicht getan habe mit auf die 2018 Liste mußten. Allerdings habe ich auch einiges erledigt, was auf der Liste stand. Listen sind sehr hilfreich. Manchmal sind Listen auch listig. Andere wiederum sind lästig.

Der Mindestlohn ist zum Jahresbeginn ist um über zwei Dollar erhöht worden, was leider in meinem Fall dazu führte, daß meine Stunden so gekürzt wurden, daß ich jetzt noch weniger verdiene als vorher. Zeit um was Neues zu machen, Zeit für einen riesengroßen Wechsel auf jedem Gebiet. Alles Neu. Life is to short to be bored. Das ist mein Motto für dieses Jahr. Mein größtes Ziel dieses Jahr ist, Pickering zu verlassen. Aber eine Sache hat sich verändert, ich will nicht mehr unbedingt aus Kanada weg, ich will nur erst mal aus dieser Umgebung weg. Ich träume davon mir einen Bus zu kaufen und durch Nordamerika zu fahren und im Bus zu wohnen. Für eine Zeit einfach nur reisen. Das Problem ist nur, daß ich so eine Angst vorm Autofahren habe. Aber daran kann ich ja arbeiten.

Wegen meiner Arbeitszeitkürzung beschloß ich mir einen neuen Job oder zumindest einen Zusatzjob zu suchen. Ich wurde schnell fündig. Ein Putzjob in Privathäusern. Na, ja, also putzen ist nicht so meine Stärke, aber wenigstens bleibt man fit. Ja, manchmal befinde ich mich in sehr optimistischer und positiver Stimmung. Also schrieb ich der Dame, die die Anzeige aufgegeben hat und traf sie in einer Filiale von Tim Hortons zum Vorstellungsgespräch. Ich sah mich nach einer resoluten, übergewichtigen, mittelalten Dame mit kinnlangem blondgefärbten und leicht ausgewachsenen Ansatz um. So sehen Putzfrauenchefs in meiner Fantasie aus. Ich lag falsch, bis auf die kinnlangen Haare. Die Frau sah aus wie eine Stammkundin von einer Berliner Eckkneipe, war ungefähr 65 Jahre alt und hatte gelbe Nikotinfinger. Eigentlich sah sie aus wie eine Hexe, sie hatte so was in den Augen. Oder eine alte Fee, die einem erscheint und einem komische Prüfungen aufgibt. Sie erzählte und erzählte und erzählte. Sie war sehr nett, machte aber keine gute Werbung für den Job. Sie zahlte nicht mal Mindestlohn, obwohl sie es anders in die Anzeige geschrieben hatte. Sie erzählte mir wie hart der Job ist und daß eine Angestellte von ihr das ganze Geld, daß sie verdient hat für einen Physiotherapeuten ausgegeben hat, weil der Job so auf ihren Rücken ging. Nach dem Treffen ließ ich mir die ganze Sache noch mal durch den Kopf gehen. Ich entschloß mich weiter zu suchen. Was ich allerdings noch nicht gemacht habe. Ich hatte da noch so eine Idee, die ich weiter verfolgen wollte.

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Letztes Jahr habe ich ein Projekt in dem Secondhandladen, in dem ich arbeite, begonnen. Ich fing an meine Mitarbeiter zu fotografieren. Aus Möbeln, Tüchern, Plastikblumen, Vasen und Bildern ect. gestaltete ich die Hintergründe für meine Modelle. Die Modelle trugen ausschlißlich Klamotten aus unserem Laden. Die Fotos sind gut geworden. Fünf davon hängen bereits neben der Kasse, es kommen nächste Woche noch mehr dazu. Ich fragte die Managerin, ob man daraus nicht einen Job kreieren könnte, sie gab mir einen Kontakt. Der Laden gehört zu einer Organisation, die viel Gutes tut, aber auch einen frischen Anstrich gebrauchen könnte, wie zum Beispiel richtig künstlerische und attraktive Fotos. Meine Fotos! In meiner Fantasie reiste ich schon um die ganze Welt mit meinem neuen Job als Fotografin für diese Organisation.

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Heute habe ich den ganzen Vormittag verbracht eine Mail an diese Kontaktperson zu schreiben. Ich fügte die Fotos hinzu und schickte es ab. Hoffnung machte sich breit.

Genau fünf Minuten später erhielt ich eine Antwort. Leider kein Bedarf. Ich dürfte meine Fotos aber gerne auf der Facebookseite der Organisation teilen. Na toll. Sehr großzügig. Hätte sie nicht ein paar Tage mit der Antwort warten können? Ich mag es mit einem Hoffnungsschimmer zu leben.

Aber es ist ja noch nicht aller Tage abend. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Gut Ding will Weile haben. Ein blindes Huhn findet auch ein Korn. Gottes Mühlen malen langsam, aber gerecht. Das letzte Hemd hat keine Taschen.

Also diese alten Oma Sprüche sind doch sehr motivierend. Wobei der letzte mein Lieblingsspruch ist. Über Kommentare mit mehr alten Oma Sprüchen würde ich mich sehr freuen!

Sie geben mir so ein Heimatgefühl. Das gute alte Deutschland! Wo an jeder Ecke ein Bäcker ist. Oder eine Eckkneipe. Nicht, daß ich Eckkneipen mag, ganz im Gegenteil, ich verabscheue sie zutiefst, aber sie gehören einfach zu Deutschland dazu. Mürrische Alkoholiker, die die Kurzen die sie trinken anschreiben lassen und die Wirtin mit dem Vornamen anreden. Und mit Du. Eckkneipen in Deutschland sind so was wie der Inbegriff der Düsternis. Aber man braucht den Kontrast. Bäcker sind der Inbegriff eines guten Starts in den neuen Tag, fröhlich, gutriechend, erfrischend und positiv. Und der Wert des Bäckers wird noch erhöht wenn er in der Nähe von einer Eckkneipe ist. Kontraste machen das Leben bunt. Hier gibt es keine Bäcker und keine Eckkneipen. Hier gibt es nur Fastfoodketten.

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Weihnachten 2017 war sehr reduziert, wir machten einen langen Spaziergang im Schnee, was sehr schön war. Wir waren nur zu viert inclusive unserer Katze Lolita. Dabei hätte es bleiben sollen. Leider ging es nicht ganz ohne Zwangsbesuche und bei dem Familienbesuch am ersten Weihnachtstag, der glücklicherweise ohne Geschenkezwang ablief, entzweite ich mich auf völlig lächerliche Weise mit meiner Schwägerin. Das ganze lief sehr unterschwellig ab, aber diese Unterschwelligkeit schwappte über meine Toleranzschwelle. Es war wie ein Sprung in einer Porzellantasse, der erst nicht sichtbar ist, aber plötzlich bricht die Tasse in zwei Stücke und es ist vorbei mit dem Kaffeetrinken.

Die Masken sind gefallen. Es fällt mir schwer, diese Geschichte jetzt nicht ganz ausführlich aufzuschreiben, weil im Nachhinein ist es so lächerlich, daß man drüber lachen kann.Und trotzdem,wenn man sich Streits ganz genau anschaut,tun sich oft Abgründe auf und oft stecken ganz andere Dinge dahinter,als es den Anschein hat.

Überhaupt will ich 2018 nur noch Sachen machen, die ich will und nichts mehr was ich nicht will. Ich will hemmungslos NEIN sagen können, wenn ich etwas nicht will und aber auch bedenkenlos JA, wenn ich etwas wirklich will. Bis jetzt habe ich immer ja gesagt, wenn ich etwas nicht wollte und Nein, wenn ich etwas wollte. Ziemlich bescheuert.

2018 werde ich eine Frau mit Standard. Wie meine Tochter immer so schön zu mir sagt: Du mußt Standard haben. Sie hat so recht. Und die Engel sind auf meiner Seite. Immer wenn ich auf die Uhr schaue ist es entweder 10.10 oder 11.11 oder 14.14 oder 22.22 oder 23.23 oder 13.13 usw. Man sagt, wenn das passiert, sind die Engel ganz nah bei einem. Es ist ganz extrem geworden in letzter Zeit. Seit mein lieber Großvater gestorben ist. Er ist sehr alt geworden, fast 103, und er war ein Mensch vor dem jeder Respekt hatte, weil er sehr freundlich, fleißig und großzügig war. Und auch selbstlos.Ich wäre gerne zu seiner Beerdigung gegangen um mich symbolisch zu verabschieden. Ich werde nie vergessen, wie nett er immer zu mir und meinen Brüdern war. Er ist mit uns in die Berge gegangen und hat Blaubeeren und Pilze mit uns gesammelt. Er hat sehr viel nette Sachen für uns gemacht. Wenn wir Kinder vor dem Fernseher saßen und uns Zeichentrickfilme angeschaut haben, hat er uns immer bedient und uns sehr hübsch dekoriertes, leckeres Essen gebracht. Es war immer wie im Restaurant. Wegen meinem Opa können wir alle Skifahren. Mein Opa war der Held meiner Kindheit. Er sah aus wie ein Schauspieler. Er sah sogar noch mit 100 gut aus. Ich hoffe es geht ihm gut in der neuen Dimension, aber ich mir eigentlich ganz sicher, daß er ein glücklicher Engel ist.

Es gibt noch so viel mehr zu berichten. Wenig Spannendes aus der Außenwelt, aber dafür sehr viel Spannendes aus der Innenwelt, aber ich lasse es für heute. Ich muß ja noch ein paar Überraschungen für mein Buch aufheben, meinen Auswanderer Bestseller Thriller über ein blindes Huhn in Pickering, daß versucht ein Korn zu finden. Wird es erfolgreich sein? Ist das Huhn gar nicht blind, sondern von einem Sonderkommando, das nur mit verbunden Augen operiert, da dadurch andere wertvolle Sinne aktiviert werden? Ist das Huhn gar kein Huhn, sondern ein Ninja? All das wird in meinem Buch beantwortet und noch viel mehr.